VON EINEM ROBOTERARM BEWEGT
Die chinesische Firma Typical betreibt in Kaiserslautern ein Entwicklungs- und Vertriebszentrum für Nähmaschinen –mit Erfolg. Ein Prototyp einer Maschine mit Namen Viper ist in diesem Jahr auf der Messe Texprocess mit dem Innovationsaward ausgezeichnet worden.
VON JULIA LUTTENBERGER
Neue Ideen in einem traditionellen Gewerbe: Die chinesische Firma Typical betreibt in Kaiserslautern ein Entwicklungs- und Vertriebszentrum für Industrienähmaschinen. Die dort entwickelten Modelle der High-End- Marke Vetron werden regelmäßig mit Innovationspreisen ausgezeichnet.
Neben der Automobilindustrie nutzt unter anderem die Designermarke Luis Vuitton die Vetron Nähmaschinen aus dem Hause Typical. Holger Labes kam 2007 zum Thema Nähmaschinen. Von Haus aus Architekt, übernahm er damals bei der Firma Pfaff das Thema Neuentwicklungen im Technikvorstand. Nach dem großen Krisenjahr 2008 entschied sich Labes gegen eine weitere Zukunft mit Pfaff. Stattdessen baute er mit dem chinesischen Nähmaschinenhersteller Typical, der Pfaff kaufen wollte, aber den Zuschlag nicht erhielt, etwas eigenes auf: ein Entwicklungs- und Vertriebszentrum in Kaiserslautern. Neben Labes nahmen Wolfgang Jeblick und Frank Grunau im April 2009 ihre Arbeit für Typical auf. „Das Unternehmen fertigt seit 60 Jahren Nähmaschinen“, berichtet Labes von dem chinesischen Traditionsunternehmen. Vornehmlich setzten die Chinesen dabei auf Kopien anderer Maschinen. Etwas, das den Kaiserslauterern nicht in den Sinn kam. Sie wollten den Markt für Industrienähmaschinen mit technischen Neuerungen revolutionieren. Los ging es 2010, als die Firma die klassische Industrienähmaschine neu entwickelten. 2011 haben sie das Modell zum ersten mal vorgestellt, seither sind die Modelle, die unter dem Markennamen Vetron vertrieben werden, regelmäßig mit Innovationspreisen ausgezeichnet worden.
Jüngst wieder auf der Leitmesse der Branche, der Texprocess. Das Besondere an den Maschinen: Sie sind Industrie 4.0 fähig. Stichlänge, Fadenlänge und ähnliches können hierbei programmiert werden und müssen nicht mehr von den Näherinnen an der Maschine selbst eingestellt werden, wie Labes schildert. Stattdessen können die Maschinen für jeden Arbeitsschritt programmiert und untereinander vernetzt werden. Die Maschinen sind modular aufgebaut, das heißt der Nähmaschinenkopf kann getauscht werden. Die Ideen für die Maschinen entstehen im Gespräch mit den Kunden: „Man muss genau zuhören, was sie wollen“, sagt Labes. Für das Design gab es ebenfalls einige Auszeichnungen. Auf das Design hat Labes ein Augenmerk. Die Maschinen sollen ansprechend gestaltet sein, wie er betont. Für das Design gab es ebenfalls bereits einige Auszeichnungen. Im Firmensitz im Siegelbacher Industriegebiet Nord stehen in einer langen Reihe die unterschiedlichen Modelle nebeneinander. Mal mit langem Arm, dann wieder mit freiem Nähkopf, mit dem räumlich genäht werden kann. Manche Maschinen schweißen Bänder auf Nähte, andere arbeiten mit Ultraschall. Die Vetron-Nähmaschinen werden in Kaiserslautern entwickelt, in China gefertigt und anschließend in Kaiserslautern auditiert und veredelt, wie Labes berichtet. Zum Einsatz kommen die Maschinen unter anderem bei der Fertigung von Automobilsitzen, Feinlederwaren und Polstermöbeln. Die Designermarke Luis Vuitton etwa fertige mit Nähemaschinen der Marke Vetron.
Im Moment sei der Markt für Nähmaschinen schwierig, schildert Labes. Das nächste große Thema werde die Automatisierung sein. Im Kaiserslauterer Entwicklungszentrum entstehe derzeit die welt weit erste und einzige Maschine, die ohne Näherin arbeiten kann. Ein Einsatzgebiet ist das Nähen von Armaturenbrettern bei Autos. Herkömmliche Roboter seien extrem groß. Vetron hat eine Nähmaschine entwickelt, die nur wenige Kilogramm wiegt, von einem Roboterarm bewegt wird und so räumlich nähen kann. „Wir können den Preis bestehender Systeme umein Drittel bis ein Viertel reduzieren“, schildert Labes. Der Prototyp mit Namen Viper ist in diesem Jahr auf derMesse Texprocess mit dem Innovationsaward ausgezeichnet worden.
Entwickelt wurde die Maschine gemeinsam mit dem Unternehmen Faurecia, das unter anderem Autositze produziert. Im kommenden Jahr soll die Maschine auf den Markt kommen. Dies würde eine neue Marktsituation schaffen, ist Labes überzeugt. Dass ein Autositz voll automatisiert genäht werde, halte er derzeit für unrealistisch. Beim Nähen sei die Automatisierung kompliziert.
Das Material bleibe – anders als beispielsweise Blech – nicht stabil. Nach dem Arbeitsschritt sehe es zudem anders aus, was es Kameras schwer mache, das Material zu erkennen. Was aber gehe, sei, einfache Schritte vollautomatisch nähen zu lassen, ist Labes sicher.
Das Unternehmen, das mit 17 Mitarbeitern im Hertelsbrunnenring angefangen hat, beschäftigt heute 80 Personen. Ob die Firma weiter wächst, hänge von derMarktentwicklung ab, sagt Labes.
Text: Julia Luttenberger
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